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Kein Tropfen auf den heißen Stein

Es gibt in Afrika – und speziell im Kongo – Millionen Menschen ohne Zugang zu sauberem Wasser. Verunreinigtes Wasser verursacht direkt oder indirekt einen Großteil aller Erkrankungen.

„Lasst uns also Brunnen bauen!“ So dachten schon die ersten Entwicklungshelfer und nach ihnen viele andere kleine und große NGOs sowie staatliche Institutionen. Brunnen bauen klingt einfach. Und doch ist gerade der Brunnenbau ein Paradebeispiel für das Scheitern der internationalen Entwicklungszusammenarbeit. Hunderttausend Brunnenruinen gibt es. Versandet, verdreckt, geplündert. Ersatzteile fehlen oder wurden geklaut, Wartung erfolgte nie. Raus geschmissenes (Steuer-) Geld.

Die Nachteile maschinengebohrter und –betriebener Brunnen

Der klassische Brunnenbau geschieht oftmals als wohl gemeinte Einzelaktion. Mit großen finanziellen Mitteln ausgestattete Hilfsorganisationen beauftragen professionelle Bohrunternehmen. Maschinen werden eingeführt. Es wird im Allgemeinen zu tief gebohrt. Oft sinkt nach massiver Wasserentnahme der Grundwasserspiegel. Die Brunnen vertrocknen. Da die Bevölkerung an diesen großen Projekten nicht direkt beteiligt wird, kann von Hilfe zur Selbsthilfe nicht die Rede sein.

Ein weiterer Nachteil: Maschinell betriebene Pumpen brauchen Strom. Ein Generator muss beschafft werden. Um diesen anzutreiben braucht es einen Verbrennungsmotor, der wiederum Diesel benötigt, der oft nicht zu beschaffen ist. Im Allgemeinen werden Wartungsarbeiten oft – aus unterschiedlichsten Gründen – nicht durchgeführt. Je komplizierter die Pumpentechnik, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass Ersatzteile nicht beschafft werden können. Damit ist der gesamte Brunnen nicht funktionsfähig. Zudem sind Elektropumpen in dem tropischen Klima des Kongos extrem anfällig.

Die Vorteile von Handbrunnen

Brunnen bohren ohne Maschineneinsatz, ausschließlich mit einfachstem technischem Gerät, per Hand: Das kann jeder lernen, das ist kostengünstig und das ist effektiv. Die Handbohrmethode hat sich weltweit und seit langer Zeit bewährt. Auch Brunnenbau macht Schule hat diese Methode selbstverständlich nicht erfunden, sondern Wissen an der Brunnenbauschule in Bolivien EMAS erworben und auf afrikanische Verhältnisse angepasst beziehungsweise weiterentwickelt.

Handgebohrte Brunnen sind relativ kleine Brunnen, sie fördern eine begrenzte Abgabe von sauberem Trinkwasser und sind grundsätzlich nicht für Bewässerungszwecke vorgesehen. Dem Bohren per Hand sind physikalische Grenzen gesetzt, sie erreichen lediglich Tiefen von 30 bis 40 Metern. Es besteht somit nicht die Gefahr, dass zu große Mengen Wasser dem Grundwasser entzogen werden, zumal grundsätzlich auch nur per Hand gepumpt wird.

Die Herstellung der notwendigen technischen Geräte sowie das Erlernen der Brunnenbautechnik  sind denkbar einfach und können in der Regel mit handelsüblichen, preiswerten Materialien erfolgen. Dadurch ist der Wartungsaufwand gering und notwendige Reparaturen können genauso einfach erfolgen. Auch die Handpumpe wird ohne Strom betrieben, es gibt keine laufenden Betriebskosten. Da diese Brunnen weiterhin völlig geschlossene Systeme sind, besteht nicht die Gefahr der Verschmutzung oder Versandung. Vor allem bei den im Kongo vorhandenen Lehm- und Sandböden, ist der Einsatz der Handbohrmethode sehr erfolgreich.

Die Vorgehensweise beim Brunnenbau

Ein im Handbrunnenbau ausgebildeter Kongolese kommt zusammen mit ein oder zwei geübten Helfern, sowie mit Bohrausrüstung und Material in ein Dorf. Aus der dortigen Bevölkerung werden geeignete Interessenten ausgewählt oder bestimmt. Sie erhalten die Chance mitzuarbeiten, etwas zu lernen und sind später für die Wartung und Kontrolle der fertiggestellten Brunnen zuständig.  Sie werden entsprechend eingewiesen wie beispielsweise Pannen an den Pumpen behoben werden und wie Ersatzteile und Hilfe von außen organisiert werden können. Durch entsprechende Nachschulungen können die Leute zu Brunnenbauexperten weiter gebildet werden, sie lernen unter anderem die benötigten Werkzeuge selbst herzustellen. Später haben sie die Möglichkeit, sich selbstständig zu machen und als Brunnenbau-Kleinunternehmer Geld zu verdienen.

Eine erfolgreiche Brunnenbohrung per Hand, mit Tiefen bis zu 40 Metern, dauert in der Regel zwei bis maximal vier Wochen.

Partizipation der Bevölkerung

In multi-ethnischen Gesellschaften ist es wichtig, alle Bevölkerungsgruppen und innerhalb dieser, die Frauen besonders zu berücksichtigen. Frauen sind im Kongo traditionell für das Wasser holen und die Versorgung der Familien zuständig. Gerade weil die Entscheidungsstrukturen männlich dominiert sind, muss man diejenigen, die eine wichtige Rolle bei der Bereitstellung von Trinkwasser spielen, aktiv beteiligen. Es ist daher wichtig, zu jedem Zeitpunkt und zu jeder Projektphase alle Menschen vor Ort zu beteiligen.

Ein negatives Beispiel

Vor etwa zehn Jahren wurden der Stadt Kananga von der Europäischen Union drei Brunnen im Wert von einer Million Euro spendiert. Die Brunnen befanden sich im Zentrum der Stadt,  schön gestaltete Anlagen, mit stabilen Betonwassertürmen. Schon vier Jahre später benötigte  es industrie-archäologischen Spürsinn, um die Brunnen überhaupt zu finden. Der Grund: Das Fehlen nachhaltiger Planung. Nach kurzem Betrieb fehlte der Treibstoff für die Generatoren. In der Stadtverwaltung fühlte sich niemand zuständig. Nach wochenlangem Stillstand, geriet Sand in die Brunnen, die Pumpen versagten. Ersatzteile gab es keine. Generatoren und Dieselaggregate fielen Diebstählen zum Opfer. Schließlich wurde auch das Brunnenrohr, das noch aus dem Boden ragte abgesägt. Fazit: Eine Million Euro Steuergelder wurden buchstäblich in den Sand gesetzt.

Ein letztendlich positives Beispiel

Für die katholische Universität in Kananga, die „Université Notre-Dame du Kasayi“, wurde – vor etwa zehn Jahren – mit Schweizer Entwicklungshilfe ein Brunnen gebaut. Eine Bohrmaschine kam zum Einsatz. Der Transport  aus der Landeshauptstadt (800 km) dauerte drei Monate. Die Bohrarbeiten, unterbrochen durch Reparaturen und Ersatzteilmangel, sechs Monate. Es wurde 100 Meter tief gebohrt. Die Kosten betrugen inklusive Elektro-Pumpe 30.000 US$. Wegen der fehlenden Energiequelle konnte der Brunnen fünf Jahre nicht genutzt werden. Letztlich wurde ein Dieselgenerator angeschafft, ein Wasserturm gebaut und die Anlage gesichert. Seitdem läuft der Brunnen mit entsprechendem Kontrollaufwand, geschultem Personal, täglich zwei Stunden ohne größere Pannen.

Ein Kommentar zur Nachhaltigkeit

Nachhaltigkeit ist populär. Das Wort wird mittlerweile inflationär gebraucht: Alle wollen und alles soll nachhaltig sein. Die Kriterien für Nachhaltigkeit sind in der Regel nur schwer nachprüfbar. Viele Entwicklungshilfeprojekte sind schon kurz nach Projektende komplett verschwunden, für die Bevölkerung hat sich nichts verändert.

Projekte der öffentlichen Entwicklungshilfe haben sich in vielen Fällen nicht als geeignetes Instrument der Selbsthilfeförderung herausgestellt. Sie waren oft nicht zielführend, sondern sogar kontraproduktiv. Nur zu oft verhinderte die sogenannte Zusammenarbeit nötige Reformen, schwächte die Eigeninitiative und entmündigte Mensch und Staat. Viele afrikanische Intellektuelle und Ökonomen klagen deshalb die Entwicklungshilfeindustrie an und sprechen von Dead Aid. Am Ende zementierte die internationale Gebergemeinschaft genau das, was sie eigentlich überwinden wollte: die Abhängigkeit.

Im Bereich des Brunnenbaus bezieht sich Nachhaltigkeit auch auf die Wartungs- und Energiekosten beziehungsweise auf die durchschnittliche jährliche Wirtschaftlichkeit während eines unbegrenzten Lebenszyklus. Mit einfachen Worten: Wenn aus dem Brunnen über Jahre reibungslos oder mit geringem Wartungsaufwand sauberes Wasser geholt werden kann, dann ist das Brunnenbauprojekt nachhaltig. Und damit ist Brunnenbau macht Schule, so Hartmut Heuser, eben „kein Tropfen auf den heißen Stein“.